11/2022 11/2022

Lautstark gegen Lauterbachs Sparpolitik

Forum

1300 Hamburger Ärztinnen und Ärzte und medizinisches Fachpersonal versammelten sich im Gebäude der KV zur Notfall-Fortbildung

Zahlreiche Praxen sind am 5. Oktober 2022 in Hamburg geschlossen geblieben – aus Protest gegen die Sparpolitik des Bundesgesundheitsministers. Rund 1300 Ärztinnen und Ärzte sowie Praxispersonal kamen zum Gebäude der KV Hamburg, um an einer Fortbildungsveranstaltung zum Thema „Der Notfall in der Praxis – die Praxis als Notfall?“ teilzunehmen.

Der große Saal im Erdgeschoss war voll besetzt – ebenso die Säle 5 und 6 im Galeriegeschoss, wohin die Veranstaltung per Video übertragen wurde. Auch im Foyer und vor dem Gebäude versammelten sich Menschen, die teilweise Plakate hochhielten, um auf die Folgen der fehlgeleiteten Gesundheitspolitik aufmerksam zu machen.

Vor Beginn der Fortbildungsveranstaltung sprach Dr. Dirk Heinrich, der Vorsitzende der KV-Vertreterversammlung. „Die Größe des Protestes zeigt, dass der Unmut in den Praxen riesig ist“, so Heinrich. „Super-Inflation, Super-Energiepreise, Super-Budget – für alles müssen die Ärztinnen und Ärzte geradestehen.“

Trotz immenser Teuerungsraten wird der Orientierungspunktwert ab 2023 um lediglich zwei Prozent angehoben. Für die Jahre 2024 und 2025 fordern die Kassen Null-Runden. „Auf welchem Stern leben diese Kassenfunktionäre?“, fragte Heinrich. „Wollen die uns fertigmachen?“

Hinzu kommt: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will die erst 2019 eingeführte Regelung kippen, dass Leistungen für Neupatienten mit dem vollen Honorar bezahlt werden. Heinrich zeigte ein Video, in dem Karl Lauterbach im Jahr 2019 als Bundestagsabgeordneter für die Einführung der Neupatientenregelung wirbt (siehe Kasten) – jene Regelung, die er nun wieder abschaffen will.

„Damals hatte Lauterbach mit seiner Argumentation vollkommen Recht“, so Heinrich. „Und heute fordern wir ihn auf: Gehen Sie den Weg der Entbudgetierung weiter! Wir protestieren, weil wir merken, dass wir die ausreichende Versorgung der Patienten nicht mehr sicherstellen können. Lassen Sie uns unsere Arbeit tun!“

Der Vorsitzende der KV Hamburg, John Afful, wandte sich gegen die Behauptung des Bundesgesundheitsministers, die Neupatientenregelung habe die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. „Es wurden 6,1 Millionen Neupatienten versorgt“, so Afful. „Das war keine Substitution, sondern ein Zuwachs an Versorgung, von dem gerade die sozial schwächeren Stadtteile profitiert haben: In Wilhelmsburg hatten wir einen Anstieg von Neupatienten um 34 Prozent, in Steilshoop um 22 Prozent. Die Neupatientenregelung hatte sehr wohl die gewünschte Wirkung.“

Das Medieninteresse war groß. Fernsehteams, Radiojournalisten und Print-Reporter verfolgten die Reden, besuchten eine nebenan anberaumte Pressekonferenz des Protestkomitees der KV-Hamburg-Mitglieder und interviewten zahlreiche Demonstrantinnen und Demonstranten.

Von der „Praxis als Notfall“ zum „Notfall in der Praxis“: Die fachliche Fortbildungsveranstaltung bestritt der renommierte Referent für Notfallmedizin, Dr. Sven-Peter Augustin – niedergelassen in einer Hausarztpraxis in Lüchow (Wendland). Augustin referierte zu den medizinischen Abläufen bei „echten“ Notfällen in der Praxis, verwies auf Leitlinien und stellte wichtige Studien vor.

Das Protestkomitee zeigte sich zufrieden mit der hohen Teilnehmerzahl. Doch Dr. Dirk Heinrich sagte auch: „Wenn wir merken, dass wir von der Politik nicht gehört werden, war das nur der Anfang. Dann werden wir unsere Protestaktionen verstärken.“