1/2025 1/2025

Haftungsrechtliche Fragen

VON PROF. DR. ALEXANDRA JORZIG
Niedergelassene Fachanwältin für Medizinrecht, Professorin für Gesundheitsrecht an der IB Hochschulde für Gesundheit und Soziales in Berlin

Wer haftet, wenn ein angestellter Arzt einen Fehler begeht?

In erster Linie haftet grundsätzlich der Arbeitgeber – denn der Patient hat den Behandlungsvertrag nicht mit dem Angestellten, sondern mit der Praxis oder dem MVZ abgeschlossen. Daneben gibt es auch eine deliktische Haftung. Hierüber kann der Arbeitnehmer auch neben dem Arbeitgeber haften. Ob es im Innenverhältnis zwischen Arbeitgeber und angestelltem Arzt dann zu einem Schadensausgleich kommt, ob der Arbeitgeber sich also Geld vom angestellten Arzt zurückholen kann, hängt von der Schwere des Verschuldens ab. Hat der angestellte Arzt leicht fahrlässig gehandelt, kann er nicht in Haftung genommen werden. Bei mittlerer Fahrlässigkeit wird er einen Teil der Schadenssumme zahlen müssen. Bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz haftet der angestellte Arzt in vollem Umfang. Die Beweislast liegt beim Arbeitgeber.

Muss ich als angestellte Ärztin eine Haftpflichtversicherung abschließen?

Grundsätzlich gilt: Ärztinnen und Ärzte müssen sich hinreichend gegen Haftpflichtansprüche im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit versichern. So steht es in der Berufsordnung. In der Regel sind angestellte Ärzte aber über den Arbeitgeber mitversichert – dann entfällt die Pflicht, eine eigene Versicherung abzuschließen.

Ist es sinnvoll, eine über den Versicherungsschutz durch den Arbeitgeber hinausgehende eigene Versicherung abzuschließen?

Es kommt immer wieder vor, dass die Versicherung des Arbeitgebers aus irgendeinem Grund ausfällt oder dass die Deckungssumme nicht groß genug ist. Deshalb sollte man als angestellter Arzt zusätzlich eine subsidiäre Haftpflichtversicherung abschließen. Die Beiträge sind ziemlich günstig, denn die subsidiäre Versicherung springt nur ein, wenn die Versicherung des Arbeitgebers nicht zahlt. Ich empfehle dringend, sich vor Unterzeichnung des Arbeitsvertrages genau anzusehen, wie umfangreich die Haftpflichtversicherung des Arbeitgebers ist. Welche Versicherungssumme ist abgedeckt? Sind neben den dienstlichen auch freiberufliche, konsiliarärztliche Tätigkeiten oder Praxisvertretungen versichert? Unabdingbar ist, einen Versicherungsschutz für Strafverfahren zu haben. Falls dieser nicht in der Versicherung des Arbeitgebers enthalten ist, sollte man sich unbedingt selbst absichern.

Nehmen wir an, ich habe einen Schaden verursacht und erhalte Post vom Anwalt eines Patienten. Wie gehe ich vor? Wende ich mich zunächst an den Arbeitgeber?

Ja. Der angestellte Arzt gibt den Vorgang unverzüglich an den Arbeitgeber weiter – denn dessen Versicherung ist in erster Linie zuständig. Entscheidend ist, dass die Meldung über den Schadensfall innerhalb von einer Woche bei der Versicherung eingeht. Wenn der Brief liegenbleibt, weil die zuständige Praxis-Mitarbeiterin am nächsten Tag krank wird und für sechs Wochen ausfällt, wird die Versicherung sagen: „Leider zu spät. Sie haben die Obliegenheit verletzt, wir zahlen nicht.“ Deshalb sollte der angestellte Arzt die Angelegenheit weiter im Blick behalten und sicherstellen, dass der Vorgang tatsächlich an die Versicherung des Arbeitgebers weitergeleitet wird. Daneben muss der angestellte Arzt unverzüglich seine subsidiäre Versicherung ansprechen mit dem Hinweis: „Wahrscheinlich ist die Versicherung meines Arbeitgebers zuständig. Ich möchte den Fall aber sicherheitshalber aber auch Ihnen melden.“ Das ist notwendig, damit die subsidiäre Versicherung einspringt, falls die Versicherung des Arbeitgebers aus irgendeinem Grund nicht zahlt.

Ist es ratsam, nach einem Schadensfall mit dem betroffenen Patienten zu sprechen?

Unter Ärztinnen und Ärzten ist die Ansicht verbreitet, dass man über einen Schadensfall nicht sprechen sollte. Richtig ist: Man darf sprechen, man darf auch mit dem Patienten sprechen. Man darf aber kein Anerkenntnis abgeben. Das heißt, man darf nicht sagen: „Ja, ich habe einen Fehler begangen und übernehme die Kosten.“ Der Fall ist nämlich möglicherweise juristisch anders zu bewerten, als es den Anschein hat. Mit dem Patienten sprechen und Bedauern zum Ausdruck bringen, ist durchaus möglich und wäre sogar zu empfehlen. Meine Erfahrung ist: Wenn eine gute, einfühlsame Kommunikation mit dem Patienten stattgefunden hat, kommt es selten zu einem Haftungsprozess.