1/2025 1/2025

Berufsrechtliche Fragen

VON GABRIELA THOMSEN
Justitiarin der Ärztekammer Hamburg

Ist eine angestellte Ärztin oder ein angestellter Arzt bei seinen Entscheidungen weisungsgebunden?

Man muss unterscheiden zwischen den organisatorisch-wirtschaftlichen Angelegenheiten einerseits und den fachlich-ärztlichen Angelegenheiten andererseits. In der konkreten Behandlungssituation entscheidet der angestellte Arzt völlig frei und eigenverantwortlich. Das lässt sich aus der Berufsordnung und der Bundesärzteordnung herleiten. Demnach ist der ärztliche Beruf seiner Natur nach ein freier Beruf. Hört man den Begriff „freier Beruf“, denkt man vielleicht an eine selbstständige Tätigkeit. Doch auch in Anstellung üben Ärztinnen und Ärzte einen „freien Beruf“ aus. Das bedeutet unter anderem, dass sie hinsichtlich ihrer ärztlichen Entscheidungen frei sind und keine Weisungen von nichtärztlichen Personen entgegennehmen dürfen. Fachfremde und vor allem wirtschaftliche Erwägungen sollen die therapeutische Entscheidung nicht beeinflussen.

Darf ein ärztlicher Vorgesetzter einem angestellten Arzt fachliche Weisungen erteilen?

Nein. Auch ein ärztlicher Vorgesetzter darf sich nicht in eine Behandlungssituation einmischen und dem angestellten Arzt beispielsweise die Weisung erteilen, eine Therapie zu ändern. Das ist unzulässig. Allerdings ist es immer möglich, in eine fachliche Diskussion einzutreten. Dafür sollte der angestellte Arzt selbstverständlich offen sein. Der ärztliche Vorgesetzte kann also einen Vorschlag machen – doch wenn der angestellte Arzt zu der Überzeugung gelangt, dass der Vorschlag ungeeignet ist, muss er ihn zurückweisen.

Nehmen wir an, ein Praxischef oder MVZ-Leiter verlangt von seinen angestellten Ärzten, möglichst viele IGe-Leistungen zu erbringen. Müssen die angestellten Ärzte eine solche Anweisung befolgen?

Nein. Die angestellten Ärzte entscheiden selbst, ob sie ihren Patienten solche Leistungen anbieten. Sie dürfen sich in ihrer fachlichen Entscheidung nicht beeinflussen lassen – schon gar nicht, wenn es um wirtschaftliche Interessen geht.

Gilt der Schutz der Therapiefreiheit auch für Ärzte in Weiterbildung?

Das ist eine Ausnahmesituation. Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung sind in Bezug auf ein bestimmtes Fachgebiet noch Lernende. Ihre Arbeit findet unter Anleitung statt. In dieser Konstellation ist der ärztliche Vorgesetzte weisungsbefugt.

In wieweit sind die angestellten Ärzte einer Praxis weisungsgebunden, wenn es um organisatorische oder wirtschaftliche Fragen geht?

In Angelegenheiten, die sich eindeutig dem organisatorisch-wirtschaftlichen Bereich zuordnen lassen, sind angestellte Ärzte weisungsgebunden. Die Praxisleitung ist beispielsweise berechtigt, den angestellten Ärzten Aufgaben zuzuweisen und Zuständigkeiten festzulegen. Die Weisungsbefugnis der Praxisleitung betrifft auch den Ort der Leistungserbringung oder die Arbeitszeiten: Wann beginnt die Arbeit, wann endet sie? Wann kann Urlaub genommen werden? Die Abgrenzung zwischen fachlich-medizinischen und organisatorisch-wirtschaftlichen Angelegenheiten ist aber nicht immer eindeutig. Wenn es beispielsweise um die Frage geht, mit welchem Material und mit welchen Geräten die Ärztinnen und Ärzte arbeiten oder welches Labor beauftragt wird, können sowohl fachlich-medizinische als auch organisatorisch-wirtschaftliche Aspekte berührt sein. Das kann zu Konflikten führen.

Oftmals werden Patienten von mehreren Ärzten einer Praxis behandelt. Gilt die ärztliche Schweigepflicht auch im Verhältnis von Ärzten untereinander?

Wenn Sie mit einer Kollegin oder einem Kollegen über einen Patienten sprechen, ist das nur zulässig, soweit dies der Behandlung dient. Ist der Austausch im Interesse des Patienten, kann man von einem stillschweigenden Einverständnis ausgehen. Ist der Austausch nicht im Interesse des Patienten, gilt die Schweigepflicht auch im Verhältnis von Ärzten untereinander. Es gibt aber gesetzlich festgelgte Ausnahmen – beispielsweise die Informationsweitergabe zum Zwecke der Abrechnung.

Weitere Hinweise und Empfehlungen zu Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung: www.kbv.de/html/datensicherheit.php