9/2022 9/2022

MVZ-Besitzverhältnisse sind in hohem Maße intransparent

Investoren

Welche Investoren hinter einem Unternehmen stehen, das in Deutschland Arztsitze kauft, ist für Politik und Kassenärztliche Vereinigung schwer zu durchschauen. Im Arztregister der KV Hamburg sind lediglich die Gründer von MVZ verzeichnet. Gründungsberechtigt sind Vertragsärzte, Krankenhäuser, bestimmte Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen und bestimmte gemeinnützige Träger. Wem aber ein als Gründer eingetragenes Krankenhaus oder ein Dialyseleistungs-Erbringer gehört, ist der KV nicht bekannt.

Damit bleibt eine wichtige Entwicklung unter dem Radar: Immer häufiger werden kleine Krankenhäuser von Holding-Gesellschaften gekauft, um gründungsberechtigt zu werden, Arztsitze zu übernehmen und sie zu neuartigen Arztpraxisketten zusammenzuführen. Finanziert werden die Holding-Gesellschaften unter anderem von Private-Equity-Unternehmen – einer speziellen Form von Investmentgesellschaften, die ihr Kapital meist über Fonds mit einer begrenzten Laufzeit beziehen. „Bei Private-Equity-geführten Holding-Gesellschaften machen die Einnahmen aus dem Weiterverkauf der Praxisketten den größten Teil der Rendite aus“, sagt Sozialwissenschaftler Christoph Scheuplein. Er hat unter anderem die Übernahme von Arztsitzen durch Private-Equity-Investoren in Bayern untersucht. Dieser Auswertung zufolge waren im ersten Quartal 2020 bereits zehn Prozent aller bayerischen MVZ im Eigentum von Private-Equity-Gesellschaften – und 15 Prozent aller MVZ-Standorte. „Das ist ein relevanter Anteil“, so Christoph Scheuplein.

Für eine neue Studie recherchierte er zusammen mit Richard Bůžek die globalen Vermögensketten von Private-Equity-Investoren im Bereich der KV Bayerns – und stellte fest, dass 14 der insgesamt 17 bayerischen Arzt-Ketten in Private-Equity-Besitz ihren Sitz in Offshore-Finanzzentren wie den Cayman Islands haben. Die komplizierten Unternehmenskonstruktionen dienen also offenbar auch der Steuervermeidung.

Die globalen Vermögensketten hinter den neu entstehenden Arztketten sind in hohem Maße intransparent. Sie zu recherchieren, ist selbst für Fachleute ein aufwändiges Unterfangen. Der Deutsche Ärztetag hat den Gesetzgeber deshalb aufgefordert, ein öffentliches und frei zugängliches Register für MVZ einzurichten. Aus diesem Register soll ersichtlich sein, wie die Besitzverhältnisse und wie wirtschaftliche sowie medizinische Verantwortlichkeiten verteilt sind.

Literatur:

Richard Bůžek, Christoph Scheuplein: "The Global Wealth Chains of Private-Equity-Run Physician Practices" Tijdschrift voor Economische en Sociale Geografie. Online first, 2022, 1-17, https://doi.org/10.1111/tesg.12519

Christoph Scheuplein, Richard Bůžek: "Private-Equity-geführte Praxis-Ketten in der vertragsärztlichen ambulanten Patientenversorgung in Bayern" In: Gesundheits- und Sozialpolitik, Jahrgang 75 (2021) Heft 2, Seite 36 - 44.
https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/1611-5821-2021-2-36/private-equity-gefuehrte-praxis-ketten-in-der-vertragsaerztlichen-ambulanten-patientenversorgung-in-bayern-jahrgang-75-2021-heft-2?page=1

Christoph Scheuplein: "Übernahme von MVZ durch Private-Equity-Investoren in Bayern" KVB Forum 3/2021
https://www.kvb.de/fileadmin/kvb/V10/Mitglieder/Service/Informationsservice/Mitgliederjournal/KVB-FORUM/Einzeldateien-FORUM/2021/KVB-FORUM-3-2021.pdf