7-8/2022 7-8/2022

Nachgefragt

Wo hakt es bei der Versorgung von Kindern in Hamburg?

Eltern finden keine Praxis für ihr Kind

In der Patientenberatung kontaktieren uns Eltern, die vergeblich in Kinderarztpraxen nach einem Termin für ihr Kind gefragt haben. Für diese Eltern ist es schwer nachvollziehbar, dass sie zum Beispiel nach der Geburt ihres Kindes oder nach einem Umzug keine Kinderarztpraxis finden, die ihr Kind als Patientin bzw. als Patient aufnimmt. Wir versuchen, gemeinsam mit den Eltern eine Praxis für die Kinder zu finden, und verweisen sie auch an die Terminservicestelle. Allerdings kommt es dann immer wieder vor, dass die Eltern mit ihren Kindern dadurch zwar einen Termin für eine Untersuchung bekommen, die Kinder aber nicht dauerhaft als Patientinnen bzw. als Patienten übernommen werden.

Fehlende Anpassung an die Realität

Für die Versorgungsengpässe im ambulanten pädiatrischen Versorgungsbereich gibt es sicher vielschichtige Gründe. Einige davon hängen mit den sich ändernden Wünschen und Vorstellungen der jüngeren Kolleg:innen zusammen, die zunehmend ein Angestelltenverhältnis statt einer Selbstständigkeit anstreben und überwiegend in Teilzeit arbeiten möchten. Laut Ärztestatistik der KBV war im Jahr 2005 im ambulanten Bereich ein Anteil von 5,7 Prozent der Kinder- und Jugendmediziner:innen angestellt. Bis zum Jahr 2020 hatte sich dieser Anteil mit fast 27 Prozent annähernd verfünffacht – Tendenz weiter steigend. Der Frauenanteil hat sich in der Pädiatrie im gleichen Zeitraum von 60,4 auf 77,3 Prozent erhöht.
Es werden also zukünftig immer mehr „Rund-um-die-Uhr“-Vollzeit arbeitende Praxisinhaber:innen durch (in Teilzeit) angestellte Kolleg:innen ersetzt. Fazit: Für diese neuen Versorgungsstrukturen müssen nicht nur deutlich mehr Ärzt:innen ausgebildet, sondern auch der rechtliche und finanzielle Rahmen geschaffen werden.

Kinder sind stärker belastet

Im Rahmen einer im Frühjahr 2022 durchgeführten Umfrage der Psychotherapeutenkammer Hamburg unter den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut:innen bestätigte sich die deutlich gestiegene Nachfrage nach psychotherapeutischen Angeboten für Kinder und Jugendliche in der Corona-Pandemie – im Schnitt gaben die Befragten eine Erhöhung der Nachfrage um 40 Prozent an. Die Wartezeiten haben sich demzufolge in den vergangenen zwei Jahren mehr als verdoppelt – von 13 auf 30 Wochen. In der Umfrage wurde deutlich: Die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut:innen ermöglichen vieles für ihre Patient:innen – von Videobehandlungen bis hin zu Wochenendterminen – aber die Behandlungskapazitäten reichen nicht aus. Eine Reform der Bedarfsplanung muss daher dringend auf den Weg gebracht werden. Kurzfristig könnten durch eine Flexibilisierung von Jobsharing und Anstellung, die Erteilung von Ermächtigungen und Sonderbedarfszulassungen sowie unbürokratische Kostenerstattung von außervertraglichen Psychotherapien in Privatpraxen zusätzliche Therapieplätze geschaffen werden.
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