7-8/2022 7-8/2022

Einfaches Suchen in MEDLINE: Tipps und Tricks

Aus dem Netzwerk evidenzbasierte Medizin

Von Prof. Dr. med. Stefan Sauerland im Auftrag des Netzwerks Evidenzbasierte Medizin e. V. (www.ebm-netzwerk.de)

Der Kern von evidenz-basierter Medizin (EbM) besteht darin, Fragen zur Behandlung individueller Patientinnen und Patienten rasch und verlässlich selbst beantworten zu können. Und wir haben das Glück, in einer Wissensgesellschaft zu leben, in der die Ergebnisse medizinischer Studien nicht mehr in Bibliotheken schlummern und nur von Expertenhand gefunden werden können.

Heute kann man solche Information an quasi jedem Ort zu jeder Zeit nutzen. Alles was man braucht, ist ein Minimum an Zeit und Erfahrung.
Das Wichtigste ist, diese Option überhaupt einmal auszuprobieren, um auf den Geschmack zu kommen. Wer dann regelmäßiger nach medizinischem Wissen sucht, kann hiermit nicht nur selbst dazulernen, sondern vor allem auch die Behandlung seiner Patientinnen und Patienten verbessern. Wer sucht, der findet!

Als Informationsquelle spielt die Datenbank MEDLINE seit vielen Jahrzehnten eine zentrale Rolle. Über die Pubmed-Website https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/ lassen sich über 30 Millionen Fachartikel durchsuchen. Aktuelle Studienergebnisse, aber auch Leitlinien und andere Evidenzsynthese sind so rasch zu finden – mit dem Computer oder auch mit dem Smartphone. Dass viele Quellen im Volltext nicht kostenfrei zur Verfügung stehen, stört oft wenig, weil das kostenfreie Abstract zum Teil bereits für erste Einschätzungen ausreicht. Für weitergehende und profunde Literaturanalysen braucht man selbstverständlich systematische Literatursuchen und Volltexte, aber hier und im Folgenden soll es allein um Suchen gehen, die „quick and dirty“ erfolgen können.

Weil Indikation und Behandlung im ärztlichen Alltag zentral sind, eignen sich diese Begriffe auch am besten für Pubmed-Suchen. Oft wird man also Krankheit (oder Symptom) und angedachte Therapie (oder Diagnostik) als englische Begriffe in die Suchmaske eingeben. Alles was notwendig ist, sind gewisse Englisch(fach)kenntnisse. Sollte man da unsicher sein, bietet sich ein einfacher Trick in Wikipedia an. Einfach nach dem deutschen Eintrag suchen und dann links nachsehen, ob in der Auflistung „In anderen Sprachen“ noch ein Eintrag in englischer Sprache vorliegt. Sucht man nach ‚Osteo­myelofibrose‘ kommt man zum englischen Eintrag ‚Primary Myelofibrosis‘.

Die Suchfunktionen von Pubmed (siehe Abb. oben) sind heutzutage so optimiert worden, dass einfache Begriffe „verstanden“ und in definierte Schlagworte übersetzt werden. Nach Eintippen von ‚thyroid cancer‘ wird beispielsweise automatisch auch nach ‚thyroid neoplasms‘ gesucht, weil dies das standardisierte medizinische Schlagwort („MeSH“) für alle Neoplasien der Schilddrüse ist. Auch viele Unterschiede zwischen amerikanischem und britischem Englisch werden von Pubmed mittlerweile automatisch ausgeglichen. Sucht man zum Beispiel nach ‚bacteraemia‘, dann wird auch automatisch nach ‚bacteremia‘ gesucht. Auch kleine Tippfehler, z.B. ‚bakteremia‘, werden via Autokorrektur behoben.

Probleme kann es geben, wenn eine Erkrankung international ganz unterschiedlich benannt wird. Eine Pubmed-Suche nach ‚Morbus Bechterew‘ beispielsweise erbringt nur etwa 200 Treffer, die fast alle zu deutschsprachigen Zeitschriften führen. Eine solch geringe und sprachlich begrenzte Trefferzahl ist auffällig und sollte rasch zu der Erkenntnis führen, dass diese Erkrankung international anders, nämlich als ankylosierende Spondylitis bezeichnet wird. Eine Suche mit ‚spondylitis ankylosing‘ erbringt dann mit über 20.000 Treffern einen hundertfach höheren Rücklauf.

Oft wird man bei Pubmed-Suchen von der immens großen Trefferzahl überwältigt. In einer solchen Situation sollte man stets versuchen, über inhaltliche, methodische oder zeitliche Filter zu einer präziseren und überschaubaren Treffermenge zu kommen. Inhaltlich bietet es sich oft an, zuerst einmal den Suchbegriff nicht im gesamten Pubmed-Eintrag, sondern nur im Titel der Publikation zu suchen. So lassen sich z. B. die über 50.000 Treffer zu ‚bacteremia‘ auf 10.000 Treffer reduzieren, indem man ‚„bacteremia“[Ti]‘ eingibt. Die Buchstaben Ti für „Titel“ in eckigen Klammern helfen auch für andere Zwecke weiter: Bei eiligen Suchen kann man mittels random*[Ti] bevorzugt nach hochwertiger Evidenz suchen, wobei der Asterisk als Platzhalter unter anderem die Worte ‚randomized‘, ‚randomised‘ und ‚random sample‘ umfasst. Auch ein systematisches Review randomisierter Studien wird so gefunden. Ähnlich wie in großen Internet-Suchmaschinen kann man auch in Pubmed die inhaltliche Suche auf bestimmte Wortfolgen fokussieren, indem man diese Wörter in Anführungszeichen setzt. Will man z. B. eine Suche zu Opiaten auf stark wirksame Substanzen eingrenzen, kann man ‚„strong opioids“‘ als zusätzlichen Suchbegriff eingeben. Eine solche Suche nach definierten Wortfolgen ist jedoch meist eine sehr starke, wenig sensitive Eingrenzung der Suche.

Als methodischer Filter eignet sich ansonsten auch der Publikationstyp, der als eigenes Feld in Pubmed erfasst wird. Durch ‚systematic review[PT]‘ OR ‚guideline‘[PT] können z. B. systematische Übersichtsarbeiten und Leitlinien rasch gefunden werden. Aufpassen muss man allerdings beim Suchen nach sehr neuen Publikationen, weil es immer einige Wochen braucht, bis einer druckfrischen Publikation in MEDLINE ein Publikationstyp zugewiesen wird. Sucht man also z. B. mittels ‚randomized controlled trial[PT] AND Am J Kidney Dis[TA]‘, so findet man die allerneuesten RCTs (randomisierten kontrollierten Studien) aus dem American Journal for Kidney Diseases noch nicht. Besser ist daher die Verwendung von Filtern, z. B. ‚systematic review[filter] OR guideline[filter]‘. Die Filter lassen sich auch per Mausklick auswählen. Als methodische Eingrenzung kann es auch hilfreich sein, Fallberichte oder Herausgeberkommentare aus der Suche auszuschließen. Hierfür hängt man Ausschlussfilter mit NOT an seine Suche an, also z. B. ‚NOT editorial[PT] NOT case reports[PT]‘.

Die dritte Filteroption ist die zeitliche. Hierzu kann man das gesuchte Publikationsjahr in der Pubmed-Oberfläche anklicken oder es händisch eingeben. Beispielsweise begrenzt der Zusatz ‚2020:2030[pdat]‘ die Suche auf Publikationen ab 2020. Bei der Suche nach einer ganz bestimmten, hochaktuellen Studie, die vielleicht in der Tagespresse oder im kollegialen Gespräch erwähnt wurde, sucht man idealerweise nach dem Autorennamen. Hierfür kann die Feldsuche ‚[AU]‘ verwendet werden. Noch besser aber kann man mittels des Zitats suchen, indem man Zeitschrift, Jahr, Band und/oder Seitenzahl eingibt. Meist reichen aber Autor, Jahres- und Seitenzahl schon aus. Erwähnt werden soll an dieser Stelle auch die Möglichkeit, die Suche auf bestimmte Sprachen einzuschränken oder durch Anklicken von „Free full text“ nur solche Quellen zu finden, deren Volltext frei heruntergeladen werden kann. Erfreulicherweise ist der Anteil frei verfügbarer Fachartikel (Open Access) in den letzten Jahren immer weiter angewachsen und liegt heute bei etwa 25%.

Im Idealfall hat man es durch einige wenige Suchbegriffe und Filter geschafft, die Zahl der Treffer auf vielleicht 100 zu konzentrieren. Hilfreich ist es, wenn man eine zentrale Publikation gefunden hat, die gut auf die gesuchte Frage passt. Denn bei den meisten Pubmed-Einträgen lassen sich über die Funktionen „Similar Articles“ und „Cited by“ begrifflich ähnliche Artikel oder direkt hierzu passende Folgepublikationen identifizieren.

Wer Pubmed häufiger verwendet, kommt auf diese Weise binnen weniger Minuten zu ersten orientierenden Ergebnissen. Dies reicht aus, um manche einfache medizinische Frage direkt beantworten zu können – z. B. während eines Telefonats. Besser ist es jedoch, EbM-Fragen außerhalb des Berufsalltags am Abend oder am Wochenende ohne Zeitdruck zu recherchieren. Am wichtigsten aber ist es, Pubmed-Suchen überhaupt einmal auszuprobieren und für die eigene ärztliche Tätigkeit als Alltagswerkzeug verfügbar zu machen. Das sichere Praktizieren von EbM erfordert sicherlich mehr als nur das Finden von Studien, aber wer erst einmal einen Zugang zu hochwertiger Evidenz gefunden hat, der lernt sehr schnell auch die weiteren Schritte von EbM.

PROF. DR. MED. STEFAN SAUERLAND
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)
Im Mediapark 8, D-50670 Köln
Tel.: 0221 / 356 85 – 359
E-Mail: stefan.sauerland@iqwig.de