MVZ auf dem Vormarsch
Von John Afful
Hamburgs ambulante Versorgung erlebt einen Strukturwandel. Während nur fünf Prozent der Versorgungseinheiten auf MVZ entfallen, bündeln diese 20 Prozent der Leistungskapazitäten. In einigen Fachbereichen machen angestellte Ärztinnen und Ärzte bereits über die Hälfte der Vollzeitäquivalente aus.
Für die Vertreterversammlungs-Sitzung der KV Hamburg am 16. Oktober 2024 hatten wir ausgewertet, in welchen Betriebsformen die ambulante Versorgung in Hamburg stattfindet – und wie die Leistungskapazitäten verteilt sind.
KONZENTRATIONSPROZESS
Zunächst fällt auf: Bisher stellen Medizinische Versorgungszentren (MVZ) etwa 5 Prozent der Versorgungseinheiten. Das ist ein kleiner Anteil. Etwa 95 Prozent der Versorgungseinheiten werden noch immer als Praxen betrieben (siehe Tabelle 1).
Tabelle 1: Betriebsformen und Leistungsgeschehen insgesamt in Hamburg
Doch wenn man sich die Vollzeitäquivalente ansieht (also die Tätigkeit aller Angestellten und Selbstständigen gemessen an vollen Versorgungsaufträgen), zeigt sich: Auf die MVZ entfallen 20 Prozent der Vollzeitäquivalente.
Wir erleben also einen deutlichen Konzentrationsprozess in der ambulanten Versorgung: Die Anzahl der Standorte nimmt ab, die wohnortnahe Versorgung wird ausgedünnt.
Und es gibt ein weiteres interessantes Ergebnis: Die MVZ in Hamburg fordern 33 Prozent des Honorars an. Etwa ein Drittel der gesamten Honoraranforderung der ambulanten Versorgung in Hamburg entfällt also bereits auf MVZ, obwohl diese nur fünf Prozent der Versorgungseinheiten stellen.
Ein guter Indikator für die Leistungskapazität der Bereiche ist die Verteilung der Vollzeitäquivalente. Wenn man einzelne Fachgruppen analysiert und nach Angestellten und Selbstständigen sowie nach Praxen und MVZ differenziert, erhält man jeweils ganz unterschiedliche Ergebnisse.
HAUS- UND KINDERÄRZTLICHE VERSORGUNG: PRAXEN PRÄGEN DAS LEISTUNGSGESCHEHEN
In der hausärztlichen Versorgung beispielsweise stellen selbstständige Ärztinnen und Ärzte 68 Prozent der Vollzeitäquivalente (Tabelle 2). Die in Praxen angestellten Ärztinnen und Ärzte kommen auf 16 Prozent. Das heißt: In diesem Bereich sind insgesamt immer noch 84 Prozent der Vollzeitäquivalente in den Praxen angesiedelt.
Tabelle 2: Hausärztlicher Bereich
Im kinderärztlichen Bereich (Tabelle 3) ergibt sich ein ähnliches Bild, allerdings ist der Anteil der Leistungskapazitäten in den Praxen noch etwas höher (88 Prozent der Vollzeitäquivalente).
Tabelle 3: Kinderärztlicher Bereich
AUGENÄRZTE: UNEINHEITLICHES BILD
Im augenärztlichen Bereich (Tabelle 4) arbeiten nur noch 69 Prozent aller Vollzeitäquivalente in einer Praxis: 56 Prozent der Vollzeitäquivalente entfallen auf selbstständige Ärztinnen und Ärzte. 13 Prozent arbeiten angestellt in Praxen.
Indessen decken MVZ bereits 31 Prozent der Vollzeitäquivalente ab. Der Anteil der angestellt arbeitenden Vollzeitäquivalente beträgt unter dem Strich 44 Prozent.
Tabelle 4: Augenärztlicher Bereich
FACHÄRZTLICHE INTERNISTEN: MEHR ALS DIE HÄLFTE IST ANGESTELLT
Bei den fachärztlichen Internisten (Tabelle 5) ist der Anteil der angestellt arbeitenden Vollzeitäquivalente noch höher: Mehr als die Hälfte arbeitet mittlerweile angestellt – davon der größte Teil in MVZ, deren Träger Krankenhäuser sind: Auf diese Krankenhaus-MVZ entfallen 29 Prozent der Vollzeitäquivalente.
Der Anteil der Vollzeitäquivalente in den Praxen (angestellt und selbstständig) ist auf 55 Prozent zurückgegangen.
Tabelle 5: Fachinternistischer Bereich
WAS KÖNNEN WIR AUS DER AUSWERTUNG MITNEHMEN?
Die Zunahme des MVZ-Anteils an den Versorgungseinheiten geht mit einer Konzentration der Versorgung einher, weil die Vollzeitäquivalente an weniger Standorten zusammengefasst werden. Wer eine wohnortnahe Versorgung wünscht, sollte also inhabergeführte Praxen fördern.
Im augenärztlichen und im fachinternistischen Bereich haben MVZ bereits einen großen Teil der Leistungskapazitäten übernommen.
Bei den Fachinternisten entfällt schon heute mehr als die Hälfte der Vollzeitäquivalente auf angestellte Ärztinnen und Ärzte.
Diese Ergebnisse deuten auf einen einschneidenden Strukturwandel in der ambulanten Versorgung hin.
Weitere Auswertungen sind nötig. Im Arztregister der KV ist die Trägerschaft der MVZ verzeichnet: MVZ können unter anderem von Ärzten, Krankenhäusern und Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen gegründet werden (§ 95 SGB V). Doch Träger ist nicht gleich Eigentümer: Wem die institutionellen Träger gehören, ob dahinter private Finanzinvestoren, Private-Equity-Unternehmen oder Konzerne stehen, ist der KV oftmals nicht bekannt.
Diese mangelnde Transparenz erschwert beweiskräftige Analysen zur Frage, in wieweit Unterschiede zwischen den Leistungsprofilen von Betriebsstätten in Zusammenhang mit deren Besitzverhältnissen stehen.
JOHN AFFUL ist Vorstandsvorsitzender der KV Hamburg.
Die Auswertung wurde von CAROLINE ULBRICH durchgeführt.