Mehr Investoren, höhere Kosten!
Von Dr. Andreas Bollkämper
Erledigen profitorientierte Unternehmen die radiologische Versorgung günstiger und besser? Hier eine deutliche Warnung: Das ist nicht der Fall.
Einige Politiker scheinen zu glauben, dass die ambulante medizinische Versorgung von „Konzernen“ besser erledigt werden könnte: billiger, effektiver, bei angeblich besserer Auslastung der Geräte, vor allem in technischen Fächern wie der Radiologie. Das krasse Gegenteil ist der Fall:
Es gibt keine effektivere Versorgungseinheit als die selbstständige Praxis. Bei der Befundung radiologischer Bilder beispielsweise leisten angestellte Ärzte nur etwa 50 bis 60 Prozent dessen, was ärztliche Inhaber erledigen.
Je größer die Institution, desto geringer ist die Tagesleistung radiologischer Geräte. Besonders Krankenhäuser und große MVZ arbeiten schwerfällig und ineffektiv.
Der Kostenvorteil, der entsteht, wenn MVZ-Großstrukturen mehr Geräte, Wartungsleistungen und Verbrauchsmaterial abnehmen, wird durch den unflexiblen Verwaltungs-Wasserkopf ins Gegenteil verkehrt.
SOPs (Standard Operating Procedures – „Standardvorgehensweisen“ zum Qualitätsmanagement) können Vorteile bringen, bestehen aber nur in Ausnahmefällen und stehen grenzwertig auch gegen die ärztliche Eigeninitiative in selbständigen Einheiten.
Der Gewinn, den die ambulante Versorgung in Großstrukturen dem Investor einbringt, entsteht nicht spontan – denn unter den oben angeführten Bedingungen wäre das „Tagesgeschäft“ hoch defizitär.
Dies kann aufgefangen werden, indem besonders schlecht bewertete Methoden sofort eingestampft bzw. durch strategische Termin-Vergabe und Wartezeiten heruntergefahren werden. Dabei wird ein Rest solcher Untersuchungen manchmal zunächst als Alibi beibehalten.
In den ausreichend bewerteten Methoden kann selektiert werden zwischen attraktiven, weil schnellen Untersuchungen – und schwierigen Organbereichen und Fragestellungen. Auch dies kann – nach außen kaum merklich – über die Terminschiene erfolgen.
Nach solchen Konsolidierungsmaßnahmen wäre das Unternehmen in den wirtschaftlichen Kenndaten ausreichend aufgehübscht und stünde zum Weiterreichen an den nächsten Investor bereit. Die Differenz zwischen Einkaufspreis und Verkaufspreis bietet dann den Gewinn für den Investor. Wenn die im Hintergrund stehende Gesellschaftsstruktur international ist, kann auch der deutsche Steuersatz vermieden werden.
Auf Basis solchen Denkens ist der von Investoren gebotene Übernahmepreis für Kassenarztsitze deutlich höher als der fair und korrekt ermittelte Wert einer Praxis, die eine bedarfsorientierte Komplettversorgung anbietet.
Wir sind ein freies Land, und Unternehmer dürfen unternehmen, nein sie sollen es sogar. Aber Gesundheit ist keine Dienstleistung, und der Patient keine Ware.
Wir Vertragsärzte haben einen Versorgungsauftrag. Und wir haben den Sicherstellungsauftrag für die ambulante Versorgung in unserer Region – nicht als Einzelne, sondern als Gruppe, in der KV organisiert.
Die Übersetzung des Sicherstellungsauftrags in den Versorgungsauftrag auf Praxisebene ist bereits ausgehöhlt. Geforderte Einzelqualifikationen oder Gerätebesitz (oder Nichtbesitz) schaffen vielfältige Möglichkeiten, unattraktive Untersuchungen zu vermeiden (siehe Mammographie) oder zu minimieren.
Eine Versorgung mit allen von Organfachärzten geforderten und notwendigen Untersuchungen mit in der Menge ausreichendem Angebot wird es in einer Investoren-Landschaft nicht geben. Wenn dann die Sicherstellung nicht mehr erreicht wird, kommen Ersatzvornahmen zu anderen Preisen als Lösung in Frage.
Einige Politiker hoffen alternativ vielleicht auf planwirtschaftliche Strukturen. Das wäre noch weniger effektiv und entsprechend noch teurer. Am Ende steht Wartelisten-Medizin für Notwendiges oder Ausweichen auf viel zu teure Alternativen.
Lösungsansätze
● Wir brauchen eine Gebührenordnung, die „einheitliche“ Bewertungen über die verschiedenen Methoden der Bildgebung herstellt – wie das beispielsweise in der Schweiz der Fall ist. Natürlich qualitätsgesichert und ohne Selbstzuweisung.Die Systematik der geplanten und gescheiterten EBM-Reform hatte ja auch den richtigen Ansatz, Kosten und Arztlohn zu differenzieren und damit den Arztlohn einheitlich (unabhängig von Fach oder Methodik) zu ermöglichen. Basis war auch eine ausreichende Detailbetrachtung der Untersuchungen/Behandlungen und klare Einzelleistungs-Betrachtung der Bewertung. Dieser Weg eines kostenbasierten EBM wurde dann politisch aufgegeben.
● Je mehr „ärztliche Kontrolle“ über die Institute besteht, desto geringer ist die Gefahr, dass sich eine kaufmännische Logik durchsetzt.
● Die Zunahme von Investoren im Medizinbetrieb kostet viel Geld, das dann für die Patientenversorgung fehlt. Der Profit der Investoren wird direkt der Versorgung entzogen. Dies ist zu verhindern. Dass Investoren durch den Kauf eines kleinen Krankenhauses die Gründereigenschaft für MVZ bekommen und ganz Deutschland mit profitorientierten MVZs beglücken können, muss wirksam unterbunden werden. Hier würden ein Regionalprinzip und eine Größenbegrenzung helfen.
● In den klassischen Praxen ist der Kassenarztsitz das "Eigentum" des Kassenarztes. Das ist eine gute Konstruktion. Um Versorgung zu leisten, reicht der Besitz eines Sitzes pro Kopf. Das Argument, die jungen Kollegen wollen keine Selbstständigkeit, keine Verantwortung, haben Angst vor enormen Schulden – ist nur vorgeschoben. Für einen Versorgungsauftrag, der auch bei Ableisten der gesamten Bandbreite von Fragestellungen bei allen Patienten eine wirtschaftliche Amortisation ermöglicht, gibt es auch Interessierte. Eine faire, ausgleichende Gebührenordnung ist dafür die Basis.
DR. ANDREAS BOLLKÄMPER
ist Facharzt für Radiologie, Teilhaber einer radiologischen Gemeinschaftspraxis in Hamburg-Wandsbek und Mitglied der Vertreterversammlung der KV Hamburg.