"Das wäre dramatisch"
Interview
Was bringt das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz für die Hamburger Praxen? Der KV-Vorstandsvorsitzende JOHN AFFUL über die Tücken der schnellen Terminvermittlung, die Abschaffung der Neupatientenregelung und die unbedingte Notwendigkeit einer „Rückbereinigung“.
Mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz werden die Zuschläge für eine schnelle Terminvermittlung erhöht. Kann das die durch den Wegfall der Neupatientenregelung entstehenden Honorarverluste ausgleichen?
Afful: Da bin ich nicht sicher. Die Neupatientenregelung hat gut funktioniert. Die schnelle Terminvermittlung hingegen weist Konstruktionsfehler auf, die auch durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz nicht behoben wurden.
Was meinen Sie?
Afful: Der Zuschlag für die vermittelnde hausärztliche Praxis wurde auf 15 Euro angehoben. Das ist nicht geeignet, die Terminvermittlung in Schwung zu bringen. Die fachärztliche Praxis, an die vermittelt wird, erhält bis zu 100 Prozent Zuschlag auf die Grundpauschale. Dahinter bleibt der Anreiz für die hausärztliche Praxis deutlich zurück. Um gut zu funktionieren, müsste das Modell aber für beide Versorgungsbereiche gleichermaßen attraktiv sein.
Sie haben in der Vertreterversammlung darauf hingewiesen, dass die Abschaffung der Neupatientenregelung zu einer „Rückbereinigung“ führen muss. Was bedeutet das?
Afful: Leistungen für Neupatienten wurden bislang zu 100 Prozent bezahlt. Die Umsetzung dieser Regelung erfolgte in zwei Schritten: Im ersten Jahr bekam die Ärztin oder der Arzt für diese Leistungen budgetiertes Honorar aus dem ILB – und zusätzlich außerbudgetär jene Differenz, die zu 100 Prozent fehlte. Nach dem ersten Jahr wurde das Honorar für diese Fälle ganz aus dem ILB herausgenommen. Das ILB wurde also „bereinigt“. Die Ärztin oder der Arzt hatte nun zwar ein niedrigeres ILB, bekam die Leistungen für die Neupatienten aber vollständig extrabudgetär bezahlt.
Das Problem ist nun: Wenn die Neupatientenregelung ohne zusätzliche Korrekturen wegfällt, gibt es kein extrabudgetäres Geld mehr für Neupatienten – und das Gesamtbudget bleibt niedrig. Diese Patienten sind aber nicht verschwunden, sie sind weiterhin im System und werden auch versorgt. Deshalb muss eine „Rückbereinigung“ stattfinden. Was aus dem Budget herausgenommen wurde, muss nun wieder eingezahlt werden.
Dass die Budgets wieder entsprechend angehoben werden müssen, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Ist das nicht gesetzlich geregelt?
Afful: Im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz ist geregelt, dass eine Rückbereinigung erfolgt und dass der Bewertungsausschuss bis Ende November erklärt, wie das genau passieren soll. Mit der Konzeption der Rückbereinigung ist also dasselbe Gremium betraut, das den Orientierungspunktwert festgelegt hat, ohne die aktuelle Inflation und die Energiekrise zu berücksichtigen. Das hat unser Vertrauen in den Bewertungsausschuss ziemlich erschüttert.
Was würde geschehen, wenn die KV das Geld nicht vollständig zurückbekommt?
Afful: Das wäre dramatisch. Wir reden hier über insgesamt etwa 100 Millionen Euro für Hamburg. Wenn die Budgets nicht wieder aufgestockt werden, wird es in Hamburg viele Praxispleiten geben. Das wäre ein Kahlschlag der ambulanten Versorgung, den niemand wollen kann: nicht die Patientinnen und Patienten, nicht die Politik. Und auch nicht die Kassen.
Was ist Ihre Forderung?
Afful: Wir müssen dieses Geld vollständig wiederbekommen, und wir müssen es schnell bekommen. Sonst wird die Abschaffung der Neupatientenregelung für die Hamburger Praxen zu einem Fiasko. Darüber hinaus sollten endlich die Voraussetzungen geschaffen werden, dass alle Leistungen auch zu 100 Prozent bezahlt werden.