Regierung will Gesundheitskioske in die Regelversorgung bringen
Gesundheitspolitik
Lauterbach stellt seine Gesetzesinitiative im Hamburger Gesundheitskiosk vor
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat Ende August 2022 den Gesundheitskiosk in Hamburg-Billstedt/Horn besucht und seine Pläne für die Implementierung ähnlicher Beratungsangebote in der Regelversorgung vorgestellt. Demnach sollen bundesweit 1000 Gesundheitskioske in sozial benachteiligten Gegenden aufgebaut werden. Hauptaufgabe der Kioske sei es, den Zugang zur Versorgung von Patientinnen und Patienten mit besonderem Unterstützungsbedarf zu koordinieren. Es sollen ärztliche Behandlungen vermittelt und Beratungen zur Förderung eines „gesunden Lebensstils“ angeboten werden. Auch bei der Lösung sozialer Probleme soll der Gesundheitskiosk unterstützen.
Der Gesetzesinitiative des Bundesgesundheitsministers zufolge entscheiden die Kommunen darüber, wo ein Gesundheitskiosk eingerichtet wird. Die gesetzlichen Kassen sind dann verpflichtet, das Projekt umsetzen. Sie sollen 74,5 Prozent der Kosten tragen, die Privatkassen 5,5 Prozent und die Kommunen 20 Prozent.
In den Kiosken sollen examinierte Pflegekräfte arbeiten, die auch einfache, von Ärztinnen und Ärzten veranlasste medizinische Routineaufgaben wie Messen von Blutdruck und Blutzucker, Verbandswechsel, Wundversorgung und subkutane Injektionen übernehmen. Ärztliche Versorgung direkt am Ort ist nicht vorgesehen.
Der vom Ärztenetz Billstedt/Horn im Jahr 2016 aufgebaute Gesundheitskiosk Billstedt/Horn wurde drei Jahre lang aus dem Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gefördert. Der Innovationsausschuss empfahl anschließend, das Konzept in die Regelversorgung zu überführen.
Dass in dem von Lauterbach vorgestellten Modell die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte nicht mehr in die Trägerschaft eingebunden sind, stößt auf Kritik. „Die Evaluation des Projekts in Hamburg hat gezeigt, dass ein Kiosk dann erfolgreich ist, wenn ein Netz von Praxen dahintersteht, die Patientinnen und Patienten aktiv für bestimmte Fragestellungen an den Kiosk überweisen“, sagt der Vorstandsvorsitzende des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi), Dr. Dominik von Stillfried. „Bei der weiteren Ausgestaltung des Konzepts sollte daher auch die Anbindung an behandelnde Arztpraxen berücksichtigt werden.“
Ergänzung vom 22.9.2022: Die Ersatzkassen in Hamburg haben den Versorgungsvertrag mit dem Gesundheitskiosk in Billstedt/Horn gekündigt. Dies sei kassenseitig explizit mit dem GKV-Finanzierungsstärkungsgesetz und dem von Karl Lauterbach vorgestellten Konzept zum bundesweiten Aufbau von „Gesundheitskiosken“ begründet worden, meldete der Virchowbund in einer Pressemitteilung. Die Zukunft des Gesundheitskiosks Billstedt/Horn hänge nun an den Verträgen mit den verbliebenen Kassen.
Der Virchowbund gehört zu den Gesellschaftern des Gesundheitskiosks in Billstedt/Horn. „Lauterbach zerstört mit seiner erratischen und inkonsistenten Politik die gute Versorgung ausgerechnet in sozialen Brennpunkten“, sagt Dr. Dirk Heinrich, einer der Initiatoren des Gesundheitskioks und Vorsitzender des Virchowbundes. „Wenn seine Politik mit dem Substitutionsprojekt unter seinem falschen Label ‚Gesundheitskiosk‘ fortgeführt wird“, so Heinrich, „wird es bald nur noch für die Reichen Ärzte geben, für die Armen dagegen nur die ‚Community Health Nurse‘.“