7-8/2025 7-8/2025

Was macht eigentlich der Zulassungsausschuss?

Selbstverwaltung

Wir stellen im KVH-Journal in unregelmäßiger Folge Gremien der Selbstverwaltung vor. Hier berichtet der ärztliche Vorsitzende des Zulassungssauschusses Ärzte, wie das Gremium arbeitet – und wie es zu seinen Entscheidungen kommt.

Wie unabhängig sind die Mitglieder des Zulassungsausschusses?

HEIDLAND: Wir sind nicht an Weisungen gebunden, so steht es im Gesetz. Immer wieder hört man, der Zulassungsausschuss sei ein Gremium der KV. Das ist falsch. Der Zulassungssauschuss ist paritätisch besetzt mit Vertretern der Ärzte beziehungsweise Psychotherapeuten auf der einen Seite und Vertretern der Krankenkassen auf der anderen Seite. Wir sind ein Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung. Die KV gibt Empfehlungen ab – doch wir treffen unsere Entscheidungen unabhängig.

Wie wird die ärztliche Seite des Gremiums besetzt?

Heidland: Ich wurde vom damaligen Vorstand der KV gefragt, ob ich die Aufgabe des ärztlichen Vorsitzenden des Zulassungsausschusses für Ärzte übernehmen möchte. Die KV-Vertreterversammlung hat den Vorschlag dann bestätigt. Auch die anderen Ärztevertreter des Gremiums werden auf Vorschlag des KV-Vorstandes von der Vertreterversammlung gewählt.

Handelt es sich bei den Ärztevertretern ausschließlich um Ärzte?

Heidland: Außer mir ist derzeit noch ein weiterer Arzt regelmäßig im Zulassungsausschuss tätig. Bei der dritten Person auf Ärzteseite handelt es sich um einen KV-Angestellten oder eine KV-Angestellte – das sind Juristen. Sowohl der ärztliche als auch der juristische Sachverstand ist für die Arbeit im Zulassungsausschuss wichtig.

Wer leitet die Ausschuss-Sitzungen?

heidland: Immer abwechselnd: Mal leite ich als ärztlicher Vorsitzender die Sitzung, das nächste Mal ist die Kassenseite dran. Der Zulassungssauschuss Ärzte besteht aus sechs Personen, da muss man keine strenge Sitzungsleitung machen oder gar eine Rednerliste führen. Zwischen den Ärztevertretern und den Kassenvertretern herrscht ein gutes Einvernehmen. Sollten drei Mitglieder für und drei gegen einen Antrag stimmen, gilt der Antrag entsprechend der gesetzlichen Vorgabe bis auf wenige Ausnahmen als abgelehnt. Aber wie gesagt: In der Regel können wir uns gut einigen.

Aber es gibt doch sicherlich unterschiedliche Interessen zwischen den Kassenvertretern und den Ärztevertretern. Sind die Kassenvertreter eher darauf bedacht, möglichst wenig Geld auszugeben?

heidland: Nein, das entspricht nicht meinen Erfahrungen. Die Kassenvertreter sind ebenso wie wir an einer guten Versorgung für die Versicherten interessiert.

Zulassungsausschuss Ärzte

Zulassungsausschuss Psychotherapeuten

Wer ist sonst noch im Raum, wenn der Zulassungsausschuss tagt?

heidland: Außer den Ausschussmitgliedern nehmen normalerweise eine Patientenvertreterin oder ein Patientenvertreter sowie eine Vertreterin oder ein Vertreter der Sozialbehörde beratend an den Sitzungen teil. Die beiden haben kein Stimmrecht. Darüber hinaus sind Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter der Geschäftsstelle des Zulassungsausschusses anwesend. Die Geschäftsstelle bereitet die Sitzungen vor und führt die Ordner, in denen der Schriftverkehr mit den Antragstellern und die Stellungnahmen der KV enthalten sind. Und wenn es zu einer mündlichen Verhandlung kommt, sind auch die abgebenden Praxisinhaber, die Bewerber oder deren Rechtsvertreter im Raum.

Das läuft dann ab wie bei einem Gerichtsverfahren?

heidland: Ja, tatsächlich. Es hat Ähnlichkeit mit einem Gerichtsverfahren.

In welchen Fällen kommt es zu mündlichen Verhandlungen?

heidland: Mündliche Verhandlungen finden beispielsweise statt, wenn neue Arztsitze zu besetzen sind – oder wenn ein Praxis-Inhaber ein reguläres Nachbesetzungsverfahren anstößt und ein Auswahlverfahren unter mehreren Bewerbern stattfindet. Voraussetzung für ein Nachbesetzungsverfahren ist, dass genug Praxis-Substrat vorhanden ist und die Praxis versorgungsrelevant ist, sodass der Sitz ausgeschrieben werden kann. Bewerben sich mehrere Personen um die Nachbesetzung, entscheiden wir nach vorgegebenen Auswahlkriterien: beispielsweise anhand der Qualifikation, der Dauer der Facharzttätigkeit und dem Eintragungsdatum in die Warteliste beim Arztregister. Da haben wir wenig Spielraum.

Wie passen MVZ in dieses Schema? Das sind ja keine Personen, sondern Institutionen. Haben MVZ bei der Vergabe von Sitzen einen Vorteil oder einen Nachteil?

heidland: Weder noch. Grundsätzlich geht es immer um die Person, die am Ende auf der Arztstelle arbeiten soll. Ein MVZ bewirbt sich mit dem Arzt, der angestellt werden soll. Und für ihn gelten die gleichen Kriterien: beispielsweise Qualifikation, Dauer der Facharzttätigkeit oder Datum der Eintragung in die Warteliste beim Arztregister. Allerdings ist es oft so, dass ein Arzt, der seinen Sitz an ein MVZ weitergeben will, auf seine Zulassung verzichtet und sich anstellen lässt. Auf diese Weise wird der Sitz direkt an das MVZ übertragen. Allerdings muss der Arzt dann noch drei Jahre als Angestellter auf dem Sitz weiterarbeiten, bevor er sich zur Ruhe setzen kann. Das ist eine lange Zeit. Wenn man über Jahrzehnte hinweg selbstständig war und sich nun als Angestellter in seiner ehemaligen Praxis sagen lassen muss, wie man zu arbeiten hat, ist das nicht ganz einfach.

Wenn der Inhaber auf seine Zulassung verzichtet und sich anstellen lässt, gibt es kein Nachbesetzungsverfahren?

heidland: Es gibt die Möglichkeit, auf die Zulassung zu Gunsten einer Anstellung zu verzichten – wie gerade beschrieben. Dann findet keine Verhandlung statt. Es gibt allerdings auch die Möglichkeit, seine Praxis abzugeben und ein reguläres Nachbesetzungsverfahren anzustoßen mit dem Ziel, dann als Angestellter auf dem Sitz weiterzuarbeiten. In diesem Fall bewirbt sich ein MVZ oder ein Arzt und sagt: Ich würde den Sitz gerne übernehmen, aber die Arbeit führt der abgebende Arzt als mein Angestellter fort. Dann findet eine Verhandlung bei mehreren Bewerbern statt. Es ist zwar wahrscheinlich, dass der Zulassungsausschuss den abgebenden Arzt auswählt – aber nicht sicher. Der Vorteil für den abgebenden Arzt ist, dass er nicht drei Jahre weiterarbeiten muss, bevor er sich zur Ruhe setzen kann.

Es gibt bestimmte Bewerber für eine Praxisnachfolge, die als „privilegiert“ gelten. Worum geht es da?

heidland: Privilegiert ist ein Bewerber beispielsweise, wenn es sich um den Ehepartner, ein Kind, einen Praxispartner oder einen Angestellten des bisherigen Vertragsarztes handelt. In den letzten beiden Fällen muss die gemeinsame Tätigkeit mindestens drei Jahre bestanden haben. Wenn eine solche Konstellation vorliegt, bekommt in der Regel der privilegierte Bewerber den Zuschlag.

Im vergangenen Jahr wurden bei der Besetzung von Arztsitzen erstmals Bewerber bevorzugt, die bereit waren, sich in bestimmten Gegenden niederzulassen. Wie kam das zustande?

heidland: Da ging es nicht um die Weitergabe von Sitzen, sondern um neue Arztsitze, die ausgeschrieben wurden, weil aufgrund zunehmender Patientenzahlen die Niederlassungssperre teilweise aufgehoben wurde. Es konnten 4,25 Kinderarztsitze neu besetzt werden. Und weil die pädiatrische Versorgung möglichst wohnortnah sein soll, empfahl die KV, im Sinne des Ausgleichs von Angebot und Nachfrage steuernd einzugreifen. Bewerber hatten besondere Aussicht auf Erfolg, wenn sie sich in Stadtteilen niederlassen wollten, die als unterdurchschnittlich versorgt definiert wurden. Außerdem förderte die KV die Niederlassung in diesen Stadtteilen mit jeweils 35.000 Euro aus dem Strukturfonds.

Das waren keine Sonderbedarfszulassungen, oder?

heidland: Nein, Sonderbedarfszulassungen sind etwas anderes. Sonderbedarfszulassungen werden nicht ausgeschrieben. Die Ärztinnen und Ärzte müssen in Eigeninitiative einen Antrag auf eine Sonderbedarfszulassung stellen. Einem solchen Antrag wird stattgegeben, wenn ein Versorgungsengpass festgestellt wird. Der Arztsitz ist an diesen Standort gebunden und kann nicht in andere Gegenden verlegt werden. Bei der Prüfung von Anträgen auf eine Sonderbedarfszulassung werden die Kriterien des so genannten „Maßnahmenpapiers“ zugrunde gelegt, das 2014 dem Hamburger Bedarfsplan als Anlage hinzugefügt wurde. Bei der hausärztlichen Versorgung betrachten wir dabei einen Radius von drei Kilometern, bei der kinderärztlichen Versorgung einen Radius von vier Kilometern und bei der allgemeinen fachärztlichen Versorgung einen Radius von zwölf Kilometern. Die KV analysiert für diesen Radius das Einwohner-Arzt-Verhältnis und befragt dort praktizierende Ärztinnen und Ärzten – beispielsweise, ob sie zusätzliche Aufnahmekapazitäten haben. Auch die Berufsverbände werden gebeten, eine Einschätzung abzugeben. Ergibt die Analyse, dass im betreffenden Gebiet oder bei bestimmten Leistungen ein Versorgungsengpass vorliegt, befürwortet die KV eine Sonderbedarfszulassung. Ähnliche Analysen werden auch durchgeführt, wenn es um die Verlegung von Arztsitzen geht. Der Zulassungsausschuss untersagt eine Verlegung von Arztsitzen in besser versorgte Gegenden, wenn dadurch die Versorgung am derzeitigen Standort spürbar ausgedünnt würde. In solchen Fällen entscheiden wir ganz klar im Sinne der Sicherstellung.

Werden diese Entscheidungen in mündlichen Verhandlungen gefällt?

heidland: Die Beteiligten haben immer das Recht, persönlich vorzusprechen. Aber die Geschäftsstelle hält die Antragsteller über die Ergebnisse der Analysen auf dem Laufenden. Und wenn die Sache nicht sehr aussichtsreich ist, verzichten die Antragsteller meist auf eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung. Doch es kommt vor, dass ein Antragsteller von der Geschäftsstelle erfährt, dass die KV seinen Antrag nicht befürwortet – und dennoch sagt: Ich will persönlich in die Sitzung kommen und das erklären.

Kann es sein, dass die Mitglieder des Zulassungsausschusses dann anders entscheiden, als sie sich vorgenommen haben?

heidland: Es kann sein, dass es einem Antragsteller gelingt, die Mitglieder des Ausschusses durch gute Argumente doch noch zu überzeugen. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass die objektiven Kriterien erfüllt sind.

Was passiert, wenn die Beteiligten mit einer Entscheidung nicht einverstanden sind?

heidland: Alle Beteiligten können Widerspruch einlegen. Dann entscheidet der Berufungsausschuss. Wer auch mit dessen Entscheidung nicht einverstanden ist, hat dann die Möglichkeit, vor dem Sozialgericht zu klagen.

Welche Tipps würden Sie Kolleginnen und Kollegen geben, die mit dem Zulassungsausschuss zu tun bekommen?

heidland: Die wichtigste Empfehlung ist: Informieren Sie sich rechtzeitig! Die meisten Informationen finden sich auf der Internetseite der KV. Das Arztregister der KV Hamburg berät zu Praxisabgaben und -übernahmen sowie zu den verschiedenen Kooperationsformen. Für Fragen zu einem konkreten Antrag ist die Geschäftsstelle des Zulassungsausschusses zuständig. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind sehr freundlich und immer hilfsbereit. Viele Anträge werden schnell innerhalb von zwei bis drei Monaten entschieden. Nachbesetzungsverfahren können auch schon mal ein Jahr dauern.

Informationen zur Zulassung für die vertragsärztliche und vertragspsychotherapeutische Versorgung

LESERBRIEF SCHREIBEN
redaktion@kvhh.de