Antibiotikaziel 2022 in der WSV
Arneimittel
Das neue Antibiotikaziel definiert Höchstquoten für Reserveantibiotika. Es ersetzt das bisherige Generikaziel für Antibiotika.
Für das Jahr 2022 haben KV und Kassen im Rahmen der Wirkstoffvereinbarung ein neues Antibiotikaziel vereinbart. Das neue Wirkstoffziel beinhaltet alle Antibiotikapräparate, die oral, parenteral oder inhalativ eingesetzt werden. Zubereitungen zur topischen Anwendung werden nicht berücksichtigt.
Als nachrangig zu verordnende Antibiotika (Reserveantibiotika) zählen in diesem Ziel nur die vereinbarten Wirkstoffe (siehe Tabelle). Diese wurden zwar auf Grundlage der Definitionen von WHO und Wido ausgewählt, weichen aber doch in Teilen von deren Einstufung ab.
Häufig verordnete Antibiotikagruppen wie z.B. Makrolide (z.B. bei Eradikation von Heliobacter pylori) oder Wirkstoffe mit Firstline-Empfehlung für häufig vorkommende Erkrankungen (z.B. Fosfomycin bei unkompliziertem Harnwegsinfekt) zählen in diesem Ziel zum "Standardbereich", obwohl sie außerhalb dieser Indikationen zu den Reserveantibiotika gezählt werden können. Für diese Reserveantibiotika wurden Höchstquoten vereinbart (hamburgweit und je Fachgruppe).
Diese als Reserveantibiotika gelisteten Wirkstoffe sollen nur nachrangig und mit klarer Indikation (und Wirksamkeit) eingesetzt werden.
Qualitätsziel für bessere Transparenz
Das neue Antibiotikaziel ist ein reines Qualitätsziel. Die Zielerreichung beeinflusst nicht die Gesamtsaldierung (hamburgweit, je Fachgruppe, arztindividuell) und selbst im Prüfungsfall führt die fehlende Zielerreichung nicht zum Regress. Die Aufnahme dieses Ziels in die WSV soll in erster Linie die Transparenz über die Verordnung von nachrangig zu verordnenden Antibiotika für die Ärzte erhöhen. Obwohl die im ambulanten Bereich verordneten DDD der Antibiotika in Hamburg 2021 im Vergleich zu 2019 um ca. 35 Prozent gesunken sind, bleibt die Notwendigkeit, dass die Antibiotika vor allem zur Vermeidung von Resistenzen (MRSA, MRGN) und damit zur Erhaltung der Wirksamkeit, restriktiv eingesetzt werden.
Informationen zur Umsetzung des Ziels
Das bedeutet, dass Antibiotika nur bei medizinischer Notwendigkeit (nicht z.B. bei viralem Infekt), so gezielt wie möglich (ggf. Resistogramm) und nur so lange wie nach neueren Empfehlungen angegeben ist, verordnet werden sollen (1).
Im ambulanten Bereich können viele Infektionen mit Aminopenicillinen erfolgreich behandelt werden. Häufigste Kontraindikation ist die Allergie. Allerdings sind Penicillinallergien viel seltener als von den Patienten angegeben. (2;3)
Kombinationspräparate mit Betalaktamaseinhibitoren wie Ampicillin/Sulbactam (Sultamicillin) oder Amoxicillin/Clavulansäure (Coamoxiclav) sind nur dann sinnvoll, wenn Betalaktamase bildende Erreger wie Staphylokokken oder gramnegative Enterobakterien eine Rolle spielen (Haut/Weichteilinfektionen und nosokomiale Infektionen). (2)
Fluorchinolone sind aufgrund zunehmender Resistenzproblematik und des Risikos die Lebensqualität beeinflussender, lang anhaltender und möglicherweise irreversibler Schadwirkungen lediglich Reservemittel bei Nichtanwendbarkeit oder Versagen anderer in der jeweiligen Indikation etablierter Antibiotika. (4)
Die Oral-Cephalosporine 3. Generation haben eine erweiterte Wirksamkeit im gramnegativen Bereich (z. B. Hämophilus, Escherichia coli, Klebsiella, Proteus, Serratia). Keine Aktivität besteht gegen Pseudomonasstämme. Die Wirksamkeit im grampositiven Bereich, insbesondere gegen Staphylokokken ist hingegen im Vergleich mit "Basiscephalosporinen" schwächer (Cefpodoxim) bis unzureichend (Cefixim, Ceftibuten). Cefixim gilt in Leitlinien der WHO als Therapieoption (Einmalgabe in Kombination mit Azithromycin) bei unkomplizierter anogenitaler Gonorrhoe, obgleich zunehmend auch Resistenzen von Neisserien gegen "Drittgeneration-Cephalosporine" auftreten. (4)
Orale Cephalosporine gelten als Treiber für Chlostridium-difficile-Infektionen und eine MRSA-Kolonisation (Beeinträchtigung der Darmflora). (2)
Quellen:
(1) Antibiotische Therapie in Bielefeld –AnTiB Hausarzt 2020
http://www.aerztenetz-bielefeld.de/uploads/Antib_HA-Lang-Revision-Juni-2020.pdf
(2) Antibiotikatherapie(1) – Rationale für die Praxis Dtsch Arztebl 2019; 116(29-30): [8]; DOI: 10.3238/PersInfek.2019.07.22.02
https://www.aerzteblatt.de/archiv/208952/Antibiotikatherapie-(1)-Rationale-fuer-die-Praxis
(3) Penicillinallergie: siehe AVP 11/2021: https://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/AVP/aktuell/index.html
(4) atd-Arznei-telegramm Arzneimitteldatenbank – www.arzneitelegramm.de (gebührenpflichtig)
Ansprechpartner:
Abteilung Praxisberatung
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