3/2023 3/2023

Was sich 2023 berufspolitisch ändern muss

10 Punkte

Es sollten sich mehr Menschen politisch engagieren – auch aus der Ärzteschaft. Damit das gelingt, müssten aus Sicht von Dr. med. Torsten Hemker einige Dinge passieren. Seine Vorschläge hat er in zehn Punkte zusammengefasst.

  1. Seit Jahren bekommen wir für Kassenpatienten nur ein Budget. Wenn wir mehr arbeiten (z. B. Grippewelle, Corona), wird die einzelne Leistung geringer bezahlt. Wie viel weniger, erfahren wir erst mit der Abrechnung 6 bis 8 Monate später. Wo gibt es sonst für Mehrarbeit das gleiche Geld?

  2. Das Budget führt dazu, dass die Einkünfte nicht planbar sind. Die “Ampel” hat im Koalitionsvertrag vereinbart, dass die Budgets nur für die Hausärzte abgeschafft werden sollen. Die Aufhebung der Budgets ist aber für alle Ärzte dringend erforderlich!

  3. Die Rücknahme der Neupatientenregelung ist für uns Ärzte deshalb so unfassbar, weil die Einführung ein Ausgleich für die Erhöhung der Sprechstundenzeit von 20 auf 25 Stunden pro Woche sein sollte. Wir werden gezwungen mehr zu arbeiten, aber die Vergütung sinkt! Welche andere Berufsgruppe muss sich so etwas bieten lassen?

  4. Die Absenkung der Vergütung kommt zu einer Zeit, in der die Kosten extrem steigen. Der Bundesgesundheitsminister hat angekündigt, dass die Krankenhäuser 8 Milliarden Euro als Inflationsausgleich bekommen sollen. Wo bleibt der Ausgleich für die Praxen?

  5. Ab Januar 2023 sollen viele stationäre Operationen ambulant erbracht werden. Dafür wurde eine neue “Hybrid-DRG” geschaffen, da die bisherige Bezahlung ambulanter Operationen nicht kostendeckend war und Krankenhäuser deshalb möglichst die Operationen als stationäre Behandlung durchführen. Ursprünglich sollte dieser neue Preis für Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte gelten. Nun ist der Plan von Prof. Lauterbach, die höhere Vergütung nur Krankenhäusern zukommen zu lassen. Wo gibt es sonst für die gleiche Leistung unterschiedliche Preise?

  6. Die Gebührenordnung für Privatpatienten (GOÄ) ist seit 1986 unverändert. Niedergelassene Ärzte erhalten für die Beratung seitdem unverändert 10,71 €. Eine Anpassung inhaltlich wie materiell wird seit Jahren von der Politik verhindert, weil jeder zweite Privatpatient Beamter ist und damit eine Erhöhung die kommunalen Haushalte belasten würde. Seit Oktober 2022 ist die neue Gebührenordnung für Tierärzte in Kraft. Jetzt kostet die Behandlung eines Hundes deutlich mehr, als wir für Privatpatienten in Rechnung stellen können! Wo gibt es sonst seit 36 Jahren keine Erhöhung von Gehältern oder Gebühren?

  7. Patienten, die einen Heilpraktiker aufsuchen, bekommen in der Regel ca. 100 Euro pro Behandlung in Rechnung gestellt. Der Fallwert eines Orthopäden z.B. in Hamburg  (Preis für 3 Monate Behandlung für alle erbrachten Leistungen) liegt bei unter 50 Euro. Das Studium dauert 6,5 Jahre, die Weiterbildung zum Facharzt mindestens 6 Jahre. Ärzte müssen nach GOÄ abrechnen, die Heilpraktiker dürfen eine freie Vereinbarung mit dem Patienten schließen. Wo bleibt die Gerechtigkeit?

  8. Die selbständig tätigen Heilberufe (Apotheker, Zahnärzte, Ärzte, Psychologen, Physiotherapeuten) unterliegen bei ihren Einnahmen der Planwirtschaft (Politik nach Kassenlage), bei den Ausgaben der Marktwirtschaft. Sonst gilt in der Wirtschaft, dass bei steigenden Kosten auch die Preise steigen.

  9. Die niedergelassenen Ärzte kochen vor Wut, dürfen aber nicht streiken. Wir beneiden Piloten, Lokführer und andere Arbeitnehmer.

  10. All diese Probleme sind lange bekannt. Die Gesundheitspolitik ändert daran nichts! Die Ampelkoalition lässt sich von Prof. Lauterbach am Nasenring durch die politische Manege ziehen.

DR. MED. TORSTEN HEMKER
Orthopäde in Eppendorf, Mitglied der KV-Vertreterversammlung und Landesvorsitzender Hamburg des Berufsverbandes für Orthopädie und Unfallchirurgie