Notfallreform mit fraglichem Nutzen
Editorial
Die unterschiedliche Finanzierung der Sektoren bleibt eine Herausforderung in der Weiterentwicklung des Gesundheitswesens. Das zeigt auch die geplante Notfall- und Rettungsdienstreform des Bundesgesundheitsministeriums: Der Rettungsdienst soll eine Anschubfinanzierung von 225 Mio. Euro aus dem „Sondervermögen Infrastruktur“ für Investitionen in die digitale Infrastruktur der Leistungserbringer der Notfallrettung erhalten. Der Ausbau der digitalen Infrastruktur der 116117 hingegen wird nicht gefördert. Die Hälfte der Mehrkosten sollen immer noch aus den Honoraren der Vertragsärztinnen und -ärzte sowie der Vertragspsychotherapeutinnen und -psychotherapeuten gezahlt werden.
Der bereits in den letzten Jahren – bei uns seit 2018 – erfolgte Ausbau des Leistungsangebotes wird heute schon zu mehr als 50 Prozent über Verwaltungskostensätze finanziert, obwohl der ärztliche Bereitschaftsdienst der gesamtgesellschaftlichen Daseinsfürsorge zuzurechnen ist.
Die im Fokus stehende Patientensteuerung in der Notfallversorgung verfehlt ihr Ziel im Referentenentwurf völlig. Eine konsequente Umsetzung des Hotline-First-Prinzips aus anderen Ländern ist nicht angelegt. In Hamburg haben in 2024 knapp 50 Prozent der Patientinnen und Patienten Notaufnahmen und Notdienstpraxen eigenständig aufgesucht. Bei diesen wird auf eine Lenkung in die passende Versorgungsebene, zumeist in die ambulante Regelversorgung, verzichtet.
Die medizinische Ersteinschätzung für Hilfesuchende in den Integrierten Notfallzentren (INZ) soll eine Steuerung innerhalb der INZ ermöglichen. Wenn Patientinnen und Patienten tagsüber während der Praxisöffnungszeiten nicht in die ambulante Versorgung gesteuert werden können, wird hier gar nichts reformiert.
Ein Problem ist auch: Krankenhäuser, die kein INZ haben, dürfen wohl auch in Zukunft an der Notfallversorgung teilnehmen. In diesen Krankenhäusern soll mittels Ersteinschätzung entschieden werden, ob die Hilfesuchenden an ein INZ weitergeleitet – oder vor Ort ambulant akut versorgt werden. Doch eine überbrückende Akutversorgung von Hilfesuchenden, die keine Notfälle sind, ist unwirtschaftlich für das Gesamtsystem. Deshalb ist das Prinzip „Regelversorgung vor Notfallversorgung“ von so elementarer Bedeutung für eine wirksame Notfallreform.
Caroline Roos,
stellvertretende Vorsitzende der KV Hamburg
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