10/2022 10/2022

Verordnungen für den Schwarzmarkt

Arzneimittel

Ein einträgliches Geschäftsmodell ist erfolgreicher geworden: Mehr Doc-Hopper bekommen von mehr Praxen mehr Pregabalin. Auch einzelnen Patienten wird mehr verordnet.

Medikamente, die auf der Straße gehandelt werden, stammen aus ärztlichen Verschreibungen, seltener auch aus Rezeptfälschungen. Dazu gehören Clonazepam, Diazepam, Flunitrazepam und in den letzten Jahren besonders Pregabalin. Vor zwei Jahren hatte ich über Doc-Hopper informiert – über Versicherte, die sich von mindestens vier Praxen Benzodiazepine und Pregabalin verschreiben lassen. Von den Praxen, die diese Medikamente verschreiben, verschreiben viele auch an einen Doc-Hopper; bei Clonazepam ist es fast jede Zweite. Der Vergleich der Daten aus den Jahren 2018 und 2021 zeigt, dass Doc-Hoppern im letzten Jahr deutlich mehr als in den Vorjahren verschrieben wurde.

Pregabalin

2018 bekamen 48 Doc-Hopper von 235 Praxen Pregabalin; 2021 waren es 57 Doc-Hopper, 295 Praxen und fast die doppelte Pregabalinmenge. Der erfolgreichste Doc-Hopper suchte 2018 über 36 Praxen auf und bekam mehr als 8600 DDD Pregabalin; 2021 brauchte der erfolgreichste Doc-Hopper nur 26 Praxen aufzusuchen, um über 17.600 DDD zu bekommen.
Außerdem haben einige Praxen höhere Dosen Pregabalin als 2018 an einzelne Patienten verschrieben. Damals bekamen 70 Patienten insgesamt fast 100.000 DDD; 2021 waren es 102 Patienten und fast die doppelte Menge Pregabalin. Damit bekam diese Patientengruppen fast 12% der gesamten Verordnungsmenge.

Der Trend geht also zu größeren Verschreibungsmengen. Auffällig und medizinisch nicht nachvollziehbar sind Verordnungen von mehreren tausend Tagesdosen an jeweils einen Patienten. Pregabalin wird beim neuropathischen Schmerz empfohlen. Patienten mit einem Substanzmissbrauch sollen nach einem Warnhinweis der AKDÄ vom 17. Februar 2020 nicht mit Pregabalin behandelt werden. Deshalb ist es wichtig, die Doc-Hopper zu identifizieren. Auffällig ist auch, dass schon 2018 mehr Allgemeinärzte als Neurologen und Psychiater die hohen Dosen verschrieben haben (9 vs. 6); 2021 waren es 20 vs. 6. Die Überschreitung der erlaubten Tagesdosis von 600mg täglich = 2 DDD ist ein off label use. Die Kasse kann dann einen Prüfantrag stellen und die ihr entstandenen Kosten zurückfordern. Das geschieht in den letzten Jahren häufiger.

Clonazepam

Zwar wird Clonazepam (Rivotril ®) insgesamt weniger verschrieben, aber nicht an Doc-Hopper: Wie in den letzten Jahren gibt es etwas mehr als 20 Doc-Hopper. Diesen 20 Doc-Hoppern verordnen jetzt 170 Praxen (statt 120 vor 4 Jahren) und sie verordnen 25% mehr. Nach der Fachinformation ist Clonazepam nur als Zusatz- oder Zweitlinientherapie bei vielen Epilepsieformen mit einer Tagesdosis bis zu 8mg (1 DDD = 4 Tbl à 2mg) indiziert. Bei den in der Fachinformation genannten Indikationen kann man davon ausgehen, dass die Indikation fachärztlich gestellt wird. Die Verordnung wegen anderer Diagnosen ist ein off label use; bemerkenswert ist auch hier die geringe Zahl der neurologischen Praxen, die über 400 DDD verordnen (2 von 18).

Diazepam und Flunitrazepam

2021 verordnete nur noch gut die Hälfte der Praxen Diazepam an ein Drittel weniger Patienten als 2018 – zu Lasten der GKV. Diese Einschränkung muss hier gemacht werden, da nach Schätzungen seit Jahren fast die Hälfte aller Benzodiazepinverordnungen auf einem Privatrezept verordnet wird. Es gab etwa 10 Doc-Hopper, die ebenfalls weniger bekamen als 2018.

Nur noch wenige Doc-Hopper fragen nach Flunitrazepam, das in den 1990ern das am meisten auf der Straße gehandelte Benzodiazepin war. Nur noch drei Patienten waren bei mehr als drei Praxen; einer dieser drei bekam 2021 allerdings insgesamt 3460 Tabletten. Flunitrazepam unterliegt seit 2011 vollständig dem Betäubungsmittelgesetz. Es darf also nur verordnet werden, wenn es keine andere Behandlungsmöglichkeit gibt. Da die Indikation für Flunitrazepam die Kurzzeitbehandlung von Schlafstörungen ist, müsste belegt werden, dass andere Hypnotika nicht ausreichen. Die monatliche Höchstdosis von 30mg (=30DDD) darf nur in begründeten Einzelfällen überschritten werden. Das Rezept muss dann mit einem „A“ gekennzeichnet werden.

Arzneimittel-Feedback

Wir haben Ärzte angeschrieben, die anhand der uns zur Verfügung stehenden Verordnungsdaten Pregabalin und Benzodiazepine an Patienten verschrieben haben, die auch von mindestens drei weiteren Praxen diese Arzneimittel bekommen haben. Außerdem haben wir Praxen informiert, wenn sie diese Medikamente deutlich höher als nach der Fachinformation erlaubt dosiert haben.

Vermeiden Sie bitte, für den Schwarzmarkt zu verordnen!

Beachten Sie die Fachinformationen bei Indikation und Dosierung und vermeiden Sie in Ihrem eigenen Interesse, off label zu verordnen. Nach der Fachinformation dürfen maximal 600mg Pregabalin täglich (2 DDD zu 300mg) verordnet werden. Clonazepam ist nur als Mittel zweiter Wahl bei bestimmten Epilepsieformen zugelassen. Besonders der gleichzeitige Wunsch nach Clonazepam und Pregabalin sollte Sie an Doc-Hopper denken lassen. Pregabalin ist in einigen Fällen an tödlichen Mischintoxikationen beteiligt.

Überprüfen Sie bitte die Angaben der Patienten, wenn Sie vertretungsweise gebeten werden, diese Medikamente zu verordnen. Patienten, denen langfristig Benzodiazepine und Pregabalin verordnet werden, sollten die Indikation und die genaue Dosierung kennen. Vergewissern Sie sich, dass die behandelnde Praxis tatsächlich geschlossen ist. Wenn Sie die Angaben des Patienten für glaubhaft halten, verordnen Sie nur die für den genannten Zeitraum notwendige Menge mit Tabletten in schwächeren Dosierungen. Denken Sie daran, dass es Rivotril als 0,5 und als 2mg Tablette gibt; die kleinste Packung enthält 50 Tabletten.

Informieren Sie die vertretene Praxis über Ihre Verordnung. Es ist vorgekommen, dass der Patient in der vom Patienten genannten Praxis nicht bekannt war. Melden Sie bitte einen Verdacht auf Missbrauch auf dem Meldebogen der KV, wenn die Angaben des Patienten nicht plausibel sind.

DR. MED. RAINER ULLMANN

Meldebogen – Mitteilung über einen Verdachtsfall eines Arzneimittelmissbrauchs

Bei Fragen zur Pharmakotherapie:
Praxisberatung der KV Hamburg
Tel: 040 / 22802 -571 / -572
praxisberatung@kvhh.de