Diabetes bei Kindern früh erkennen
von Dr. Sandra Wenzel und Dr. Anja Dessauvagie
Eine neue Inititiative will Eltern und Fachkräfte in Kitas und Schulen für die Symptome eines Diabetes sensibilisieren – damit betroffene Kinder möglichst rasch behandelt werden.
Im April kommt ein knapp 4-jähriges Mädchen zu uns in die Notaufnahme des Kinderkrankenhauses Wilhelmstift: Seit circa 14 Tagen bestehende Polyurie und Polydipsie, seit kurzem wieder nächtliches Einnässen.
Letzte Woche fieberhafter Infekt, vor 2 Tagen einmal erbrochen, kein Durchfall, nach Eindruck der Eltern wohl auch Gewichtsabnahme. Seit dem Vortag erschwerte Atmung. Vorstellung bei der Kinderärztin und Einweisung mit V. a. Pneumonie.
In der Notfallambulanz sehen wir ein Kleinkind in reduziertem AZ, mit vertiefter Atmung, blass-marmoriertem Hautkolorit und mit deutlicher Kreislaufzentralisation. RKZ peripher 5-6 sec, kalte Hände und Füße, Lippen trocken, Zunge belegt. Pulmo auskultatorisch frei. Im Labor zeigen sich eine Glukosurie und Ketonurie, ein Blutzucker von > 300 mg/dl und eine schwere Azidose (BGA: pH 7.01; pCO2: 18 mmHg; HCO3: 4.1 mmol/l; BE: -25.1 mmol/l).
Das Mädchen wird mit schwerer diabetischer Ketoazidose auf unsere Intensivstation aufgenommen. Nach 2 Tagen Intensivbehandlung ist eine ausgeglichene Stoffwechsellage erreicht; das Kind ist aber noch müde und schlapp. Die intravenöse Insulingabe kann auf eine Insulinpumpentherapie umgestellt werden.
So dramatisch kann sich eine Diabetesmanifestation zeigen. Aktuell weist jedes dritte bis vierte Kind, bei dem ein Diabetes mellitus Typ 1 diagnostiziert wird, Symptome einer diabetischen Ketoazidose auf – wenn auch nicht immer so ausgeprägt wie in dem dargestellten Fall. Die Ketoazidose ist ein akuter medizinischer Notfall, mit der Gefahr eines Kreislaufschocks, eines Komas oder Hirnödems. Zusätzlich ist sie mit einer schlechteren Prognose assoziiert: einer kürzeren Remissionsphase, neurologischen Beeinträchtigungen und einer schlechteren Stoffwechsellage.
Beim Typ-1-Diabetes handelt es sich um eine der häufigsten Autoimmunerkrankungen bei Kindern. Knapp 35.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland sind betroffen. Jährlich erkranken etwas mehr als 4.000 Kinder und Jugendliche neu; mit steigender Tendenz.
Kinderdiabetologinnen aus verschiedenen Hamburger Kinderkliniken haben gemeinsam mit der Hamburger Sozialbehörde und dem BVKJ-Landesverband Hamburg die Initiative „Diabetes bei Kindern: Früh erkennen – schnell handeln“ lanciert: www.hamburg.de/go/diabetes-kinder
Ziel der Initiative ist es, Eltern und Fachkräfte, die mit Kindern arbeiten, für die Symptome eines Diabetes zu sensibilisieren, damit symptomatische Kinder frühzeitig diagnostiziert und behandelt werden und eine Ketoazidose verhindert wird.
Auch Sie können zum Gelingen der Initiative beitragen, indem Sie Eltern (insbesondere Eltern von Kleinkindern) zu Diabetes-Symptomen aufklären.
Postkarten und DIN-A4-Plakate zur Initiative können Sie kostenfrei bestellen.
E-Mail: publikationen@soziales.hamburg.de
DR. SANDRA WENZEL, Kath. Kinderkrankenhaus Wilhelmstift
DR. ANJA DESSAUVAGIE, Sozialbehörde Hamburg